Allen Kälte-Begeisterten und solchen, die es noch werden wollen, gebe ich hier mal eine Zusammenfassung meiner bisherigen Überlebens-Aktivitäten, mit denen man auch den kältesten Winter trotz steigender Heizölsteuer krisensicher übersteht.
Die Wärme und Geborgenheit der Schule im Sommer 1995 verlassen, wollte ich der Härte des Lebens ins Auge sehen und suchte das Abenteuer. Meine Suche führte mich nicht allzuweit, genauer gesagt in unseren Garten, in welchem ich bei Regen ein undichtes Zelt aufstellte, um unkomfortables Campen zu üben. Als ich nachts heimkam und ins Zelt gekrochen bin, mußte ich erstmal mit meinen Socken die Pfützen aufwischen, bevor ich mich in den kuschelig durchweichten Schlafsack gelegt habe. Klingt vielleicht eher ein bißchen seltsam als nach "Grenzen suchen", aber man muß sich da langsam heranarbeiten. Zu dieser Zeit habe ich auch seit dem Abitur drei Monate lang bis zum Beginn des Zivildienstes nur eiskalt geduscht. Ich hatte mir das einfach vorgenommen und es auch durchgehalten.
Im Winter habe ich mir dann von einem Freund einen Daunen-Schlafsack ausgeliehen und im Garten ein Zelt aufgebaut. Als ich es tagsüber aufbaute, lag leider kein Schnee, denn Wintercampen im Schnee ist ja noch viel uriger. Dann war ich im Haus, habe gelesen und gefernseht, und als ich um Mitternacht raus bin, um mich ins Zelt zu legen, hatte es sogar geschneit. Vom Zeltdach war der Schnee runtergerutscht und lag vor dem Eingang ganz hoch, dann mußte ich ihn mit nackten Händen erstmal wegschieben. Ein herrliches Gefühl, sich der Natur zu stellen, sich zu überwinden und nicht nachzugeben mit immer kälter werdenden Fingern. Ein paar Nächte habe ich draußen geschlafen, das war kein Problem.
Im Sommer 1996 habe ich mit einem Freund eine dreitägige Bergtour in der Schweiz gemacht (es sollten eigentlich fünf Tage werden, aber das Wetter spielte nicht mit). Wir hatten Proviant für mehrere Tage im Rucksack, dazu Zelt, Schlafsack und alles, was man so braucht. Mit 20 Kilogramm auf dem Rücken den ganzen Tag Berge rauf und runter, das war ziemlich anstrengend, in kurzer Hose auf den zweieinhalbtausend Meter hohen Säntis (und auch mal bis zum Schritt im Schnee gesteckt), eisiger Wind, zu zweit auf der Isomatte ein Schneefeld runtergerutscht (saulustig!), das war Abenteuer pur.
Mit einem anderen Freund habe ich dann im Spätsommer nochmal eine dreitägige Bergtour gemacht. Zum zelten haben wir uns ein lauschiges Plätzchen gesucht, tropfendes Wasser aufgefangen und erstmal was gutes gekocht. Zu allem Unglück hat es dann geregnet und nachts wurde daraus Schnee, sodaß wir kaum schlafen konnten, da wir alle halbe Stunde den Schnee vom Zeltdach schütteln mußten, wobei es außerhalb des Zeltes nur kalt war, innen aber kalt, eng und naß. Am nächsten Morgen lagen 20 cm Schnee, weiter oben 30 cm. Im Schneetreiben haben wir dann das Zelt abgebaut und sind aufgebrochen, wieder ein paar hundert Meter rauf, mit Bergkarte und Fernglas die Sicherung im Fels gefunden, und wir waren durchaus froh, als wir wieder unten waren.
Vom 26.12.96 bis 1.1.97 war es eisig kalt, nachts bei uns im Garten bis zu minus 18 Grad. Das waren die richtigen Temperaturen, um den Schlafsack (hatte ich mir für die erste Bergtour gekauft, bequem laut Hersteller bis -8 Grad) richtig auszuprobieren. Ich wollte einfach mal meine Grenze kennenlernen (habe sie aber noch nicht gefunden und warte immer noch auf wirklich tiefe Temperaturen). Wenn man bei diesen Temperaturen draußen schlafen kann, kann einem der Schneefall bei der nächsten Bergtour auch keine Sorgen mehr machen. So bin ich also am zweiten Weihnachtsfeiertag nachts rausgegangen, mit Isomatte, Schlafsack, Mütze, Skibrille (damit die Augen nicht erfrieren) und eingefetteter Nase, denn die war das einzige, was noch rausschaute. Ohne Zelt diesmal, einfach im Schnee, mit Vollmond. In der ersten Nacht konnte ich noch kaum schlafen, es war ja doch ziemlich aufregend, aber mit der Zeit ging's schon, und ich habe vier mal draußen geschlafen. Die Isomatte war etwas dünn, darum habe ich mir am nächsten Tag eine bessere gekauft, aber sonst war ich gut ausgerüstet. Ich hatte beim Zivildienst zum Abschied einen Benzinkocher geschenkt bekommen (der kocht im Gegensatz zu Gas auch noch bei Minusgraden), mit dem habe ich mir morgens einen Tee gekocht. Als ich den Kocher angefaßt habe, sind meine Finger erstmal kurz festgefroren weil er so kalt war, aber da muß man cool bleiben. Der Schlafsack lag den ganzen Tag draußen, damit er schon schön kalt ist, wenn ich mich reinlege. Ich habe abends auch Brote neben mich gelegt, die waren am nächsten Tag gefroren, und ich kann nur empfehlen, keine Essiggurke auf die Überlebens-Sandwiches zu legen, denn die schmeckt gefroren wirklich schlecht. Man kann sagen, das war der Höhepunkt meines Kälte-Trainings, denn leider war es seitdem nicht mehr so kalt.
Natürlich schlafe ich jeden Winter noch ein paarmal draußen. Am letzten Nikolaus-Tag (6.12.98) ist soviel Schnee gefallen, daß ich mir ein richtiges Iglu gebaut habe. Ich habe abends angefangen und die ganze Nacht durchgearbeitet, am Ende stand im Garten ein perfektes Iglu. Außenmaße: 3m lang, 2m hoch, 2m breit. Innen immerhin 2,5m lang, 1m breit, 1m hoch. Dazu habe ich aus der Umgebung den Schnee in den Garten geschleppt, einen Hügel gemacht, festgeklopft, geglättet, mit 50 l Wasser übergossen und schließlich ausgehöhlt. Morgens um sieben war ich dann fertig und mußte in die Uni, da bin ich fast eingeschlafen. Am Folgetag konnte ich nicht im Iglu schlafen, denn da war ich bei meiner Freundin. Schließlich war mir eine Nacht im Iglu vergönnt, aber leider war es inzwischen wärmer geworden. Tagsüber Plusgrade, dadurch ist mein Iglu eingesunken, und es wurde jeden Tag 20 cm flacher innen. Ich konnte nicht mehr drinnen sitzen, aber eine Nacht wollte ich natürlich schon drinnen schlafen. Eine einzige Kerze hat ganz hell gemacht, das war direkt romantisch. Weil es nachts nur minus 5 Grad hatte, wollte ich nicht meinen Daunenschlafsack nehmen sondern den Sommerschlafsack, um richtig gefordert zu sein. Um fünf Uhr morgens wurde es mir dann aber doch zu kalt, dann bin ich reingegangen, schließlich wollte ich nicht krank werden. Aber die einzige Nacht in meinem ersten selbstgebauten Iglu war trotzdem toll. Dann wurde es aber leider so warm, daß man nicht mehr drinnen schlafen konnte. Ich wollte ja auch nicht von 200 Kilo Schnee begraben werden, falls es zusammengestürzt wäre; ist es aber nicht. Es ist nur langsam dahingeschmolzen, und als in der Umgebung schon längst kein Schnee mehr lag, war im Garten noch ein riesiger Haufen.
Das waren Philipps Kälte-Abenteuer, und ich hoffe, es werden irgendwann neue hinzukommen.
Philipp von Bassewitz, Februar 1999